Wien als Ganzes ist magisch, anziehend, einnehmend. Was man aber erst merkt, wenn man in einem der vielen einzigartigen Grätzeln steht, ist, dass es diese kleinen, dorfähnlichen Orte der Stadt sind, die das Große Ganze bilden.
Das Servitenviertel, das sich zwischen Währinger Straße, Schottenring und Rossauer Lände erstreckt, ist den Wienern auch als “Petit Montmartre” oder Klein Paris bekannt. Und wer das erste Mal durch die kopfsteingepflasterten, romantischen Gassen streift und die liebevoll erhaltene Jugendstil Fassaden bewundert, weiß, warum das Gebiet im 9. Bezirk diesen Beinamen trägt. Egal ob köstliche Kulinarik, herrliche Architektur oder packende Geschichte – das Servitenviertel bietet spannendes, schönes und überraschendes in himmlischer Atmosphäre und mit ganz viel Charme.
Und weil es hier so viel zu entdecken gibt, haben wir euch die wichtigsten Details und sehenswertesten Hotspots hier zusammengestellt:
Geschichte
Vor langen langen Jahren als die Donau noch komplett unreguliert war, lebten auf verstreuten Inseln Fischer und Seefahrer. Und genau sie sind, im Grunde, die Ur-Servitenviertler. Als Mitte des 16. Jahrhunderts der (letztendlich namensgebende) Servitenorden begann, genau hier ein Kloster zu erbauen, waren sie schon vor Ort.
Und als die Kirche erst einmal für Recht, Ordnung und Tugendhaftigkeit gesorgt hatte, siedelte sich auch schon die High-Society an: 1689 wurde in der heutigen Fürstengasse das Gartenpalais des Fürsten von Liechtenstein erbaut; wenig später zog es eine Vielzahl französischer Familien ins Viertel. Das erklärt auch, warum heute das berühmte Lycée Français de Vienne in der Liechtensteinstraße residiert, und warum das französische Erbe bis heute in den Gassen, Geschäften und Lokalen zu spüren ist.
Und wer meint, dass die illustre Geschichte des Servitenviertels damit abgeshlossen war, der irrt. 1891 zog eine spätere Berühmtheit in die Berggasse 19 ein: Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, residierte und ordinierte im Grätzel. Circa zur selben Zeit erblickte auch ein architektonisches Meisterwerk, das später in die Literaturgeschichte eingehen sollte, das Licht der Welt: die Strudlhofstiege. Aber dazu später mehr.
Servitenkirche
Die in der Mitte des 16. Jahrhunderts erbaute Kirche des Servitenordens gilt heute als die älteste barocke Kirche Wiens und ist natürlich Namensgeber für das ganze Grätzel.
Die heutige Pfarrkirche Rossau (nebenbei erwähnt: der Name Rossau leitet sich von der Bezeichnung für die große, an der Donau gelegene Weide auf der Schifffahrtspferde grasten ab – die Ross-Au!) war bis Ende August 2009 auch als Kloster des Servitenordens im Einsatz, wurde aber auf Grund von Nachwuchsmangel geschlossen. Bis 31. August 2012 war die Servitenkirche unter der Leitung der Ordensgemeinschaft “Kongregation der Maronitischen Libanesischen Missionare” (CML); seit 2012 führt die Priesterbruderschaft der Missionare des hl. Karl Borromäus die Pfarre und bewohnt die Klosterräumlichkeiten.
Wo: Servitengasse 9, 1090 Wien
Web: Pfarrkirche Rossau
Rossauer Kaserne
Ein echtes Stück Wiener Militärgeschichte liegt ganz am Anfang (oder Ende) des Servitenviertels: die Rossauer Kaserne. In den Jahren 1865 bis 1869 als Kronprinz-Rudolf-Kaserne errichtet, diente das imposante Bauwerk am Donaukanal als Defensivkaserne. Im Nachhall der Revolution von 1848 sollte die Kaserne (im Zusammenspiel mit dem Arsenal und der ehemaligen Franz-Josephs-Kaserne) sicherstellen, dass aufständische Bürger fortan in Schach (und aus der Innenstadt heraus) gehalten werden konnten. Nach Ende des zweiten Weltkrieges fand die Rossauer Kaserne eine neue Bestimmung: neben Dienststellen des Bundesministeriums für Inneres und der Bundespolizeidirektion Wien befinden sich heute die Stützpunkte der Sondereinheit WEGA und des Einsatzkommandos Cobra, sowie die Bereitschaftseinheit und die Landesverkehrsabteilung der Landespolizeidirektion Wien hier. Des Weiteren dient sie als Hauptsitz des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung.
Wo: Obere Donaustraße 29, 1020 Wien
Jüdischer Friedhof
Man mag es kaum für möglich halten, aber im Servitenviertel findet sich auch Wiens ältester Friedhof – und kaum jemand weiß davon! Gut versteckt im Innenhof eines Seniorenheims (und wenn das nicht typisch wienerische Ironie ist, dann wissen wir auch nicht weiter) liegt der jüdische Friedhof Rossau, der an dieser Stelle seit 1540 besteht. Und wer sich jetzt fragt, wie ausgerechnet dieses Fleckchen Erde die Auslöschung alles Jüdischen vor und während des zweiten Weltkrieges überstanden hat: ein Grüppchen engagierter und vorausschauend agierender Juden hat 1943 kurzerhand die Grabsteine entfernt und am Zentralfriedhof vergraben, wo sie in den 80er Jahren wiederentdeckt und an ihren Ursprungsort zurück geführt wurden. Für alle, die den versteckten Friedhof besuchen wollen: einfach durch den Haupteingang des Seniorenheims in den Innenhof spazieren – er ist der Öffentlichkeit uneingeschränkt zugänglich!
Wo: Seegasse 9, 1090 Wien (Eingang via Seniorenresidenz)
Mahnmal
Um noch kurz beim Thema zu bleiben – in der Servitengasse Ecke Grünentorgasse befindet sich eines der vielen Mahnmale an die Vertreibung und Ermordung von Juden während des Nationalsozialismus. Der 9. hatte bis 1839 den zweithöchsten Judenanteil aller Wiener Bezirke, und so war der Einfluss des Regimes hier deutlich zu spüren. So lebten zum Beispiel in der Servitengasse im März 1938 680 Menschen, von denen nach heutiger Recherche 377 von den Nationalsozialisten als Juden verfolgt, vertrieben, verschleppt oder ermordet wurden. Um diese Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, finden sich im Servitenviertel an vielen Orten Erinnerungstafeln und Mahnmale. Das am meisten sichtbare unter ihnen ist das im Boden eingelassene Mahnmal, das 426 Schlüssel samt Anhängern mit Namen und Adressen der jüdischen Bewohner und Geschäftsleute der Servitengasse.
Wo: Servitengasse, Ecke Grünentorgasse, 1090 Wien
Palais Lichtenstein
Das Gartenpalais Liechtenstein, ein barocker Prunkbau einer der reichsten Adelsfamilien Europas, beherbergt Teile der Liechtensteinischen Kunstsammlung (Führungen buchbar; u.a. zu sehen: Werke des flämischen Malers Peter Paul Rubens) und ist zusätzlich für Veranstaltungen zu mieten. Wer kein Geld ausgeben will, dem sei der großzügige Park, der das Gartenpalais mit dem Stadtpalais (dem Belvedere) verbindet ans Herz gelegt. Hier kann man nicht nur die unglaubliche Stille mitten im Herzen einer Millionenstadt genießen, sondern auch die klar strukturierte Fassade des Palais, die aus rein österreichischen Baumaterialien (Salzburger Marmor und kaiserliches Kalkgestein von der österreichisch-ungarischen Grenze) besteht, bewundern.
Wo: Fürstengasse 1, 1090 Wien
Führungen: Buchung siehe Webpage
Web: Gartenpalais Liechtenstein
Strudlhofstiege
Einen Katzensprung vom Palais Liechtenstein entfernt liegt ein weiteres architektonisches Highlight des Servitenviertels: die Strudlhofstiege. Das Meisterwerk des Jugendstils, das an den Bildhauer Peter Strudl erinnern soll, ist nicht nur aufgrund seiner Schönheit weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt, sondern erfuhr vor allem durch Heimito von Doderers Werk “Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre” große Verbreitung. Literaturbegeisterte können ein Gedicht Doderers auf einer Steintafel an der Stiege entdecken, während architektonisch veranlagte Besucher die Symmetrie der Anlage sowie die zwei Brunnen bewundern können.
Wo: Strudlhofgasse 8, 1090 Wien
Freud Museum
Wie schon ganz am Anfang erwähnt, hatte das Servitenviertel einen der berühmtesten Bewohner überhaupt: in den Jahren 1891 bis 1938 hat der Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud, in der Berggasse 19 gelebt und ordiniert. Seit 1971 zeigt ein in seinem alten Wohnhaus gelegenes Museum Einrichtungsgegenstände, Privatbesitz, sowie Bücher und Instrumente des wohl berühmtesten Bewohners des Servitenviertels.
Wo: Berggasse 19, 1090 Wien
Öffnungszeiten: täglich 10:00 – 18:00 Uhr
Web: Sigmund Freud Museum
Kulinarische Köstlichkeiten
Wo große Kunst, große Architektur und große Geschichte aufeinander treffen darf eines nicht fehlen: eine bunte, weitverzweigte Gastro-Szene. Im Servitenviertel findet sich alles – vom kleinen Kaffee bis zum Nobelrestaurant; vom hippen Take-Away zum gemütlichen Beisl. Hier eine kleine Auswahl der kulinarischen Köstlichkeiten, die sich im Grätzel entdecken lassen:
La Mercerie
Wenn sich Wiener Gemütlichkeit mit Pariser Flair und französische Köstlichkeiten vermischt, dann kann nur etwas großartiges dabei herauskommen. So auch im super-süßen Le Mercerie, das nicht nur eines der besten Frühstücke der Stadt serviert, sondern auch Mittags und Abends mit Gaumenfreuden der Sonderklasse besticht. Und wer an sonnigen Tagen einen Tisch am gepflasterten Vorplatz erwischt, der ist der Perfektion schon ganz, ganz nah.
Wo: Berggasse 25, 1090 Wien
Öffnungszeiten: Mo – Sa: 08:30 – 19:00 Uhr; So: geschlossen
Web: —
Xocolat Manufaktur
Wer Schokolade liebt ist in der Xocolat Manufaktur genau richtig. Köstlichste Schokolade trifft hier auf herrliche Nüsse und bunte Früchte und kreiert so Geschmackserlebnisse der Extraklasse. Und für alle, die Neugierig auf das Handwerk sind, gibt es regelmäßig Workshops, die nicht nur Einblicke in das Wie, sondern auch ganz viel Gelegenheit zum Kosten bieten.
Wo: Servitengasse 5, 1090 Wien
Öffnungszeiten: Mo – Fr: 10:00 – 18:00 Uhr; Sa: 09:00 – 13:00 Uhr
Web: Xocolat Manufaktur
Edelschimmel Käsebar
Wer auf edlen Käse, gute Brote, noch besseren Wein und ganz, ganz viele Käse-Wortwitze steht, der ist im Edelschimmel mehr als richtig. Die gut 80 vorrätigen Käsesorten sind handverlesen und lassen sich vorzüglichst mit den angebotenen hausgemachten Chutneys und dem ein oder anderen Gläschen Sekt, Wein oder Champagner verkosten bevor man dann doch mit mehr heim geht, als man eigentlich bräuchte. Aber wie heißt es im Edelschimmel so schön? A cheese a day keeps the doctor away!
Wo: Servitengasse 5/7, 1090 Wien
Öffnungszeiten: Di: 16:00 – 22:00 Uhr; Mi: 12:00 – 22:00 Uhr; Do – Sa: 10:00 – 22:00 Uhr; So & Mo: geschlossen
Web: Edelschimmel
Zum roten Bären
Wer ein urig-wienerisches Gasthaus mit Hipster-Touch sucht, der ist im Roten Bären richtig. Das Essen ist hochqualitativ bodenständig, das tschechische Bier ein Grund zu kommen, die Gäste sind bunt und interessant, und das Klavier in der Ecke wartet darauf, bespielt zu werden. Wer noch mehr Überzeugung braucht: der Gastraum ist in rotes Licht getaucht, es gibt Kunst an den Wänden, und der Schanigarten ist eine Oase der Gemütlichkeit.
Wo: Berggasse 39, 1090 Wien
Öffnungszeiten: täglich: 18:00 – 24:00 Uhr
Web: Zum Roten Bären
Servitenwirt
Wer die traditionelle Wiener Küche liebt wird den Servitenwirt vergöttern. Hier werden original österreichische Gerichte neu interpretiert und auf höchstem Niveau zubereitet. Darum lasst euch auch vom Namen nicht blenden! Wer glaubt, hier beim Wirt ums Eck einzufallen, den wird spätestens die Rechnung überraschen; die hier abgelieferte Qualität hat nämlich ihren (wohlverdienten) Preis.
Wo: Servitengasse 7, 1090 Wien
Öffnungszeiten: täglich: 10:00 – 00:00 Uhr
Web: Servitenwirt
Pramerl & the Wolf
Der Neuzugang der Wiener Nobel-Gastro-Szene passt ins Servitenviertel wie die Faust aufs Auge. Jung und hip, aber gleichzeitig traditionsbehaftet und hochqualitativ. So kommt das Essen im Pramerl and the Wolf daher und überzeugt Gourmets und Foodies gleichermaßen. Gäste haben die Wahl zwischen einem kleinen und einem großen Menü, sowie verschieden-großen Weinbegleitungen, a-la-Karte wird hier nicht gekocht. Unbedingt vorbestellen!
Wo: Pramergasse 21, 1090 Wien
Öffnungszeiten: Mi – Sa: 18:00 – 23:30 Uhr; So – Di: geschlossen
Web: Pramerl & the Wolf